Corona-Tagebuch

Lockdown – Leben im Hausarrest

Seit mehr als einer Woche befindet sich ganz Österreich im Lockdown. Während in den sozialen Medien diskutiert wird, ob das notwendig ist und wie schlecht es den Menschen damit geht, sehen wir den neuerlichen Hausarrest relativ entspannt. Warum? Weil wir bereits in Übung sind. Zuerst Quarantäne, dann Corona, dann beides zusammen. Als wir eigentlich wieder das Haus verlassen durften, kam der sogenannte Lockdown light – also auch keine Partys. Und jetzt eben der harte Lockdown, der uns als Familie wieder 24 Stunden lang aneinanderkettet. Der Göttergatte produziert seine Radiosendungen im Schlafzimmer während ich im Wohn-Esszimmer mein Büro aufgebaut habe. Die Kinder sitzen mit ihren Laptops in ihren Zimmern und verlassen dieses nur bei Hungerattacken oder für schulische Fragen, die normalerweise die Pädagoginnen und Pädagogen beantworten.

Leben im Homeoffice

Damit wir miteinander kommunizieren können, uns aber nicht sehen müssen, hat der Liebste sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Der Online-Anbieter seines Vertrauens, der beim übrigen Teil der Familie Brechreiz auslöst, hat die neuen Kommunikation-Tools geliefert. Es handelt sich um Lautsprecher, die beinahe alle Fragen beantworten können und auch etwaige Informationen im Haus weitergeben. Die Rede ist von Alexa, besser Alexas. Wir besitzen inzwischen drei Stück dieser virtuellen Assistentinnen. Nummer 1 wohnt im Badezimmer, Nummer 2 im Wohnzimmer und Nummer 3 im Untergeschoss. Wenn ich von meinem Büro im Wohnzimmer „Alexa Durchsage“ rufe, dann fragt sie ganz höflich „Welche Ankündigung?“ Manchmal brülle ich dann in den sprechenden Lautsprecher die Wörter „Essen“ oder „Raubtierfütterung“, aber niemand reagiert darauf. Ab und zu kommt von den Kindern via Alexa ein „habe noch Teams-Sitzung in Englisch“ oder dergleichen zurück. Es ist wirklich beeindruckend wie man in einem Haushalt zu Viert leben, arbeiten, lernen und essen kann, ohne miteinander reden zu müssen. Das alles übernehmen unsere Alexas. Die Damen haben auch Witze auf Lager. Auf die möchte ich hier jedoch nicht näher eingehen. Auch können die drei Alexas mit Know How aufwarten, das in schulischen Angelegenheiten sehr brauchbar ist. Ab und zu sagt eine der Dreien dann auf eine Frage mit ihrer lieblichen Stimme: „Das weiß ich nicht.“ Mit welchen Kraftausdrücken wir die jeweilige Alexa in einem solchen Fall beschimpfen, werde ich hier nicht verraten. Der Göttergatte, der die Damen ins Haus gebracht hat, ist übrigens trotz der neuen häuslichen Kommunikationsmittel meist nicht erreichbar. Er werkt nämlich liebend gerne im Keller. Und der ist derzeit noch Alexa-frei.

“Alexa, halte die Klappe”

Im Lockdown gibt es abgesehen von der einen oder anderen Online-Party keine sozialen Kontakte. Das kommt irgendwie dem Haushalt zugute. Gestern habe ich den Apothekerschrank in der Küche neu sortiert. Da war ziemlich viel Bewegung drin, um es harmlos auszudrücken. All die lebendigen Lebensmittel wie etwa Tees aus dem Sri Lanka-Urlaub vor sechs Jahren oder Weizengrieß mit Ablaufdatum 16.3.2017 landeten in der Biotonne. Da hatte sogar der Liebste, der beim Wegschmeißen eher der Bremser ist, keinen Einwand. Doch dann entdeckte ich einen richtigen Schatz. Ungeöffnete Fenchelsamen in Originalverpackung und vermutlich ohne Getier. Das Ablaufdatum war leider unleserlich. Etwas stutzig hinsichtlich des Alters machte mich der Hinweis „Ursprungsland: BRD.“

Wie alt wird dieser Kerbel wohl sein…???

In Sachen Covid-19 arbeiten wir intensiv an der völligen Genesung. Während der Göttergatte und ich vergangene Woche am liebsten durchgeschlafen hätten, geht es diese Woche besser. Am Wochenende habe ich mich erstmals seit zwei Monaten sportlich betätigt. Passionierte Joggerinnen und Jogger würden mir vermutlich ein mildes Lächeln schenken, wenn ich ihnen von meiner Leistung berichte. Ich war nämlich volle drei Kilometer laufend unterwegs. Das ist bei meiner derzeitigen gesundheitlichen Verfassung vergleichbar mit einem Halbmarathon. Trotzdem: Es geht aufwärts. Langsam…

Was sich in Zeiten von Quarantäne und Lockdowns immer mehr herauskristallisiert ist die totale familiäre Verwahrlosung. Seit wir nicht mehr miteinander reden müssen, gehört auch die gemeinsame Nahrungsaufnahme der Vergangenheit an. Die Kinder haben begonnen „ambulant“ zu essen. Zwischen Online-Hausübung und Teams-Sitzung mit diversen Lehrerinnen und Lehrern wird schnell mal im Stehen ein Müsli eingeworfen. Gestern habe ich gesehen, wie eines der Kinder mit einem Teller Marmeladenbrote mit Schinken verschwunden ist. Da hat es mich auch nicht gewundert, als der Kleine die Gyozas vom Asiaten, die er am Tag davor nicht mehr geschafft hat, heute zur Frühstückssitzung mit seinem Klassenvorstand vor dem Computer verzehrt hat. In seinem Zimmer versteht sich. Ab morgen essen wir wieder gediegen, das haben wir im Familienrat via Alexa bereits besprochen. Dazu werden wir den Biertisch mit einer Tischdecke verhübschen und die Küchenrolle gegen Servietten austauschen. Der Designer-Tisch, den wir vor fast zwei Monaten bestellt haben, befindet sich ja immer noch in Italien. Die Wohnzimmer-Alexa vermutet, dass der Lockdown in unserem südlichen Nachbarland schuld daran ist.

2 Comments

  1. Martin Cargnelli

    Sehr eindrucksvoll geschrieben.

    Alexas habe ich vor Jahren mit ähnlichen Gedanken meiner Frau Barbara zu Weihnachten geschenkt. Sie wurden mit dem Wegräumen der Krippenfiguren etwa 2 Wochen nach Weihnachten außer Betrieb genommen.

    Falls zur Vollausstattung noch welche benötigt werden, ich stecke sie gerne kontaktlos in ein Hauspostkuvert.

    Ach ja wir sind übrigens auf Yamaha Musiccast umgestiegen. Das System ist so etwas wie Matador für Große und ich habe mit Matador immer große Feuerwehrautos mit Magirusleiter und Lenkung gebaut.

  2. Susanne Maurer

    Ganz Österreich befindet sich im lockdown. Ganz Österreich? Das kleine gallische Dorfauch bekannt unter dem Namen Vindobona wiedersetzt sich vehement. Es gibt sogar Punsch Stände. Wahrscheinlich ist einer der 4 Gründe dorthin zu gehen jemanden zu helfen. Es wäre nicht Österreich wenn es nicht wieder mal eine Ausnahmeregel gefunden hätte.

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