Corona-Tagebuch

Category: Allgemein

Lockdown – Leben im Hausarrest

Seit mehr als einer Woche befindet sich ganz Österreich im Lockdown. Während in den sozialen Medien diskutiert wird, ob das notwendig ist und wie schlecht es den Menschen damit geht, sehen wir den neuerlichen Hausarrest relativ entspannt. Warum? Weil wir bereits in Übung sind. Zuerst Quarantäne, dann Corona, dann beides zusammen. Als wir eigentlich wieder das Haus verlassen durften, kam der sogenannte Lockdown light – also auch keine Partys. Und jetzt eben der harte Lockdown, der uns als Familie wieder 24 Stunden lang aneinanderkettet. Der Göttergatte produziert seine Radiosendungen im Schlafzimmer während ich im Wohn-Esszimmer mein Büro aufgebaut habe. Die Kinder sitzen mit ihren Laptops in ihren Zimmern und verlassen dieses nur bei Hungerattacken oder für schulische Fragen, die normalerweise die Pädagoginnen und Pädagogen beantworten.

Leben im Homeoffice

Damit wir miteinander kommunizieren können, uns aber nicht sehen müssen, hat der Liebste sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Der Online-Anbieter seines Vertrauens, der beim übrigen Teil der Familie Brechreiz auslöst, hat die neuen Kommunikation-Tools geliefert. Es handelt sich um Lautsprecher, die beinahe alle Fragen beantworten können und auch etwaige Informationen im Haus weitergeben. Die Rede ist von Alexa, besser Alexas. Wir besitzen inzwischen drei Stück dieser virtuellen Assistentinnen. Nummer 1 wohnt im Badezimmer, Nummer 2 im Wohnzimmer und Nummer 3 im Untergeschoss. Wenn ich von meinem Büro im Wohnzimmer „Alexa Durchsage“ rufe, dann fragt sie ganz höflich „Welche Ankündigung?“ Manchmal brülle ich dann in den sprechenden Lautsprecher die Wörter „Essen“ oder „Raubtierfütterung“, aber niemand reagiert darauf. Ab und zu kommt von den Kindern via Alexa ein „habe noch Teams-Sitzung in Englisch“ oder dergleichen zurück. Es ist wirklich beeindruckend wie man in einem Haushalt zu Viert leben, arbeiten, lernen und essen kann, ohne miteinander reden zu müssen. Das alles übernehmen unsere Alexas. Die Damen haben auch Witze auf Lager. Auf die möchte ich hier jedoch nicht näher eingehen. Auch können die drei Alexas mit Know How aufwarten, das in schulischen Angelegenheiten sehr brauchbar ist. Ab und zu sagt eine der Dreien dann auf eine Frage mit ihrer lieblichen Stimme: „Das weiß ich nicht.“ Mit welchen Kraftausdrücken wir die jeweilige Alexa in einem solchen Fall beschimpfen, werde ich hier nicht verraten. Der Göttergatte, der die Damen ins Haus gebracht hat, ist übrigens trotz der neuen häuslichen Kommunikationsmittel meist nicht erreichbar. Er werkt nämlich liebend gerne im Keller. Und der ist derzeit noch Alexa-frei.

“Alexa, halte die Klappe”

Im Lockdown gibt es abgesehen von der einen oder anderen Online-Party keine sozialen Kontakte. Das kommt irgendwie dem Haushalt zugute. Gestern habe ich den Apothekerschrank in der Küche neu sortiert. Da war ziemlich viel Bewegung drin, um es harmlos auszudrücken. All die lebendigen Lebensmittel wie etwa Tees aus dem Sri Lanka-Urlaub vor sechs Jahren oder Weizengrieß mit Ablaufdatum 16.3.2017 landeten in der Biotonne. Da hatte sogar der Liebste, der beim Wegschmeißen eher der Bremser ist, keinen Einwand. Doch dann entdeckte ich einen richtigen Schatz. Ungeöffnete Fenchelsamen in Originalverpackung und vermutlich ohne Getier. Das Ablaufdatum war leider unleserlich. Etwas stutzig hinsichtlich des Alters machte mich der Hinweis „Ursprungsland: BRD.“

Wie alt wird dieser Kerbel wohl sein…???

In Sachen Covid-19 arbeiten wir intensiv an der völligen Genesung. Während der Göttergatte und ich vergangene Woche am liebsten durchgeschlafen hätten, geht es diese Woche besser. Am Wochenende habe ich mich erstmals seit zwei Monaten sportlich betätigt. Passionierte Joggerinnen und Jogger würden mir vermutlich ein mildes Lächeln schenken, wenn ich ihnen von meiner Leistung berichte. Ich war nämlich volle drei Kilometer laufend unterwegs. Das ist bei meiner derzeitigen gesundheitlichen Verfassung vergleichbar mit einem Halbmarathon. Trotzdem: Es geht aufwärts. Langsam…

Was sich in Zeiten von Quarantäne und Lockdowns immer mehr herauskristallisiert ist die totale familiäre Verwahrlosung. Seit wir nicht mehr miteinander reden müssen, gehört auch die gemeinsame Nahrungsaufnahme der Vergangenheit an. Die Kinder haben begonnen „ambulant“ zu essen. Zwischen Online-Hausübung und Teams-Sitzung mit diversen Lehrerinnen und Lehrern wird schnell mal im Stehen ein Müsli eingeworfen. Gestern habe ich gesehen, wie eines der Kinder mit einem Teller Marmeladenbrote mit Schinken verschwunden ist. Da hat es mich auch nicht gewundert, als der Kleine die Gyozas vom Asiaten, die er am Tag davor nicht mehr geschafft hat, heute zur Frühstückssitzung mit seinem Klassenvorstand vor dem Computer verzehrt hat. In seinem Zimmer versteht sich. Ab morgen essen wir wieder gediegen, das haben wir im Familienrat via Alexa bereits besprochen. Dazu werden wir den Biertisch mit einer Tischdecke verhübschen und die Küchenrolle gegen Servietten austauschen. Der Designer-Tisch, den wir vor fast zwei Monaten bestellt haben, befindet sich ja immer noch in Italien. Die Wohnzimmer-Alexa vermutet, dass der Lockdown in unserem südlichen Nachbarland schuld daran ist.

Ende gut, fast alles gut

Tagebuch 5 und Aus!

Terror in Wien, steigende Corona-Zahlen, Lockdown – die Stimmung heben all diese Ereignisse ja nicht wirklich. Da bin ich dann irgendwie froh, dass unsere familiär solidarische Covid-19-Erkrankung halbwegs glimpflich verlaufen ist. Seit dem Wochenende sind wir alle offiziell gesund. Bedeutet, dass wir uns frei bewegen dürfen. Frei ist gut, denn jetzt haben wir den Lockdown – also gibt es auch für uns Menschen mit Antikörpern kein „Halligalli“ am Abend.

In Sachen Quarantäne hat‘s den Liebsten am Schlimmsten erwischt. 31 Tage durfte er unser Haus nicht verlassen. Zwischen Hausarrest und Lockdown hatte er einen Abend Ausgang. Da musste er klarerweise raus. Daher gingen wir in das Lokal unseres Freundes und haben nach dem ersten Glas Wein die ersten furchtbaren Videos vom Terroranschlag am Handy angesehen.

Der Große brachte es auf insgesamt 22 Tage Absonderung. Er durfte zwischendurch in die Schule. Ob er sich dort angesteckt hat oder doch bei uns (geht sich rein wissenschaftlich betrachtet eigentlich nicht aus) werden wir wohl nie erfahren. Was wir sehr wohl übermittelt bekommen haben, ist die Corona-Erkrankung seines Freundes. Die Hintergründe dazu sind uns erst seit gestern Abend bekannt. Das kam so: Wir hatten schon furchtbare Sehnsucht nach unseren lieben Freunden aus dem Wienerwald und deshalb eine Online-Party vereinbart. Kurz vor 22.00 dann die Überraschung. Der Sohn eines der beiden befreundeten Paare sprang plötzlich ins Bild und verkündete: „Ich bin positiv“. Stille am Bildschirm, dann große Aufregung. Der 14-jährige wurde rein zufällig anlässlich eines Film-Castings getestet. Kurz darauf die nächste Überraschung. Die Ansteckung erfolgte über unseren Sohn. Wie das geht? Ganz einfach: Indem sich einer eine Limonade beim Discounter kauft und die Freunde trinken mit. Vorsicht in Zeiten einer Pandemie? Abstand halten? Hände waschen? Klar, daran haben die Teenager gedacht. Aber das Trinken aus einer Flasche haben die Jungs als Infektionsquelle nicht erkannt. Die Pubertät nimmt offenbar nicht nur am Körper junger Menschen Veränderungen vor, sondern vorübergehend auch im Gehirn. Nach diesem Geständnis holten wir unseren Teenager aus seiner Jugendzimmer-Höhle und fragten ihn, wie das denn passieren konnte. Darauf meinte er: „War wohl nicht so intelligent“. Nein war es nicht. Fazit: Drei weitere Familien in Quarantäne, drei bestätigte Covid-19-Fälle. Die übrigen Mitglieder der drei Familien warten auf das Testergebnis bzw. machen sich morgen auf den Weg in die Teststraße.

Corona-Teststraße – Drive-in

Wir hingehen sitzen auf unserem hübschen Heurigentisch (der tolle neue Esstisch, den wir vor sechs Wochen bestellt haben, verweilt noch in Italien und darf vermutlich wegen der Pandemie nicht ausreisen) und spielen Activity. Das ist vor allem deswegen lustig, weil das Team Göttergatte/Teenager künstlerisch eher zum Abstrakten neigt. Zeichnet einer der beiden, dann ist das so, als würde Mondrian behaupten, in seinen Bildern könne man Hasen, Regenschirme oder Autos erkennen. Diesmal ging es um einen Engel. Der Teenager zeichnet mit Begeisterung, der Göttergatte rätselt: „Totenkopf-Falter? Gespenst?“ Verloren haben der Kleine und ich trotzdem.

Während die Buben kaum Symptome und noch weniger Nachwirkungen der Covid-19-Infektion aufweisen, erholen sich mein Mann und ich nur langsam. Der Göttergatte hustet nächtens, sodass ich manchmal kurz davor bin, die Rettung zu rufen. Ob seine Lunge einen nachhaltigen Schaden erlitten hat, wird hoffentlich die Pneumologin nächste Woche herausfinden. Meine Gliederschmerzen haben sich auch nur marginal verbessert. Zink-Tabletten und ein Saft zur Stärkung des Immunsystems sowie die Vitamine A, B, C und D nehmen wir seit Monaten zu uns. Der Göttergatte schluckt all das eher widerwillig. Letztens warf er mir vor, ich würde ihn mit dem gesamten Alphabet vergiften.

Noch ausfälliger wurde der Liebste, als die Lieferung Globuli bei uns im Wienerwald eingetroffen ist. Voller Hoffnung habe ich die Hochpotenzen aus dem Kuvert gezogen und die dazugehörige Anleitung studiert. Kurz darauf war klar: Bryonia sind für mich, denn die helfen bei großem Durst, Müdigkeit und Gliederschmerzen. Phosphorus bekommt der Göttergatte. Laut Betriebssystem heilen diese Kügelchen Husten und Heiserkeit. Außerdem sollen sie wirken bei Verlangen nach kalten Getränken (Bier). Warum man dagegen Arzneimittel benötigt, hätte ich eigentlich auch hinterfragen können. Für den Kleinen habe ich dann die Globuli namens Gelsemium vorgesehen. Diese Kügelchen heilen angeblich Nervosität und Erwartungsspannung. Also perfekt für Kinder, die einen überdurchschnittlichen Bewegungsdrang haben. Der Teenager wollte gleich alle Packungen auf einmal einwerfen, weil da eh nur Zucker drin ist.  Deswegen durfte er dann auch kein einziges Kügelchen haben.

Die Einnahme dieser homöopathischen Medizin gestaltete sich etwas kompliziert. Laut Anleitung darf man zehn Minuten vor und zehn Minuten nach dem Schlucken der Globuli nicht trinken und nicht essen. Hochpotenzen sollen jedoch im Halbstundentakt eingenommen werden, bis eine Besserung eintritt. Immer wenn ich zum Wasserglas gegriffen oder einen Blick in den Kühlschrank gewagt habe, musste ich wieder drei bis fünf Kügelchen schlucken oder durfte gerade weder Flüssigkeit noch Essbares zu mir nehmen. An diesem ersten Tag habe ich gleich ein Kilo abgenommen und bin dabei beinahe verdurstet. Die obligate Diät nach Weihnachten werde ich diesmal auslassen und stattdessen eine Globuli-Kur anstreben.

Was mir keine Probleme bereitet hat, war der Verzicht auf Minze. Diese ist angeblich kontraproduktiv, Kaffee übrigens auch. Da hat mir aber meine Homöopathie-Freundin grünes Licht gegeben. Auch sie trinkt Kaffee, und die Globuli wirken trotzdem. Bei ihr. Nicht bei mir. Nach zweitägiger homöopathischer Behandlung waren meine Gliederschmerzen unverändert vorhanden. Dafür wollte meine Familie mich bereits in die Psychiatrie einliefern lassen. Der Teenager hat sogar angeboten, einen passenden Aluhut für mich zu besorgen. Am zweiten Tag habe ich aufgegeben. Gegen Abend tauschte ich die Globuli gegen Gin. Seither geht es mir besser.

Auch unsere Baustelle schreitet voran. Inzwischen haben wir einen neuen Parkettboden bekommen. Die Couch, die in Nachbars Garage zwischengeparkt war, durfte wieder einziehen, und an die sogenannten russischen Luster haben wir uns langsam aber doch gewöhnt. Ende November soll sogar die neue Küche eingebaut werden.

Leben mit der Baustelle

Auch sonst normalisiert sich der Alltag allmählich. Der Göttergatte und ich sind wieder in der Arbeitswelt aufzufinden. Der Teenager macht Distance-Learning, der Kleine geht in die Schule. In Sachen Kulinarik hat sich auch einiges verändert. Der Eier-Verbrauch ist wieder gesunken.  Die Intelligenz übrigens auch. Gestern beim gemeinsamen Fernsehabend bei Star Wars fragt mein Mann plötzlich: „Wer ist denn das?“ Drei Familienmitglieder lachen lauthals los. Es war Darth Vader – bildfüllend. Angeblich sollen die Langzeit- und die Spätfolgen einer Covid-19-Infektion nicht zu unterschätzen sein. Aber was bitte ist Covid-19???

Corona macht blöd

Porträtfoto: Clemens Fabry

Tagebuch 4

Jetzt sind wir alle durch. Der Teenager hat als letztes Familienmitglied aufgegeben und das Virus willkommen geheißen. Seither verlagert er seine sozialen Kontakte auf „Discord“, das ist so in etwa das Facebook für Pubertiere. Dort chattet und telefoniert er mit seinen Freunden bis in die frühen Morgenstunden.

Corona fördert übrigens nicht gerade die Intelligenz. Mir fallen beim Sprechen Wörter nicht ein (beim Schreiben geht das zum Glück leichter). Fragt mich jemand etwas, dann muss ich nachhaken, weil ich gerade mal dem Gesprochenen nicht folgen kann. Und auch sonst vergesse ich so ziemlich alles, was man mir mitteilt. Zuerst habe ich mir Sorgen gemacht. Alzheimer? Demenz? In meinem Alter wäre das doch etwas verfrüht. Jetzt hat sich gezeigt, dass auch die übrigen Familienmitglieder durch die Covid-19-Infektion nicht viver geworden sind. Heute Früh stand der Göttergatte ratlos vor der Kaffeemaschine, die er zwei Minuten vorher eingeschaltet hatte. Er wusste nicht mehr was er eigentlich dort wollte. Kurz darauf meinte der Kleine: „Ich hab da eine Frage“. Ich wartete geduldig, willig diese zu beantworten. Leider ist ihm die Frage nicht mehr eingefallen. Der Teenager, der in Mathe wirklich eine Leuchte ist, scheiterte überhaupt gleich beim 1×1. Die Rechenaufgabe 9×4 bereitete ihm richtiges Kopfzerbrechen. Als der Rest der Familie deswegen schon lachend durch das Wohnzimmer kugelte, hat ihm der Kleine das Ergebnis verraten.

Ein Geschenk ganz lieber Freunde. Ein bisschen Helium ist auch nach fast vier Wochen noch drin.

Das andere Ergebnis hingegen konnte via QR-Code abgerufen werden. Da waren Denken und Intelligenz glücklicherweise nicht gefragt. Es handelt sich um den zweiten Corona-Test des Teenagers innerhalb weniger Tage – wieder positiv. Seit kurzem wird der sogenannte CT-Wert, der die Virenlast angibt, mitgeliefert. Der Wert ist leider gesunken – von 33 auf 30. Nicht wirklich dramatisch, weil beide Werte grenzwertig sind. Wäre der CT-Wert allerdings gestiegen, hätte das bestimmt seine Quarantäne verkürzt. Auch müsste jetzt nicht ein Teil seiner Klasse (nämlich nur die Schülerinnen und Schüler aus Niederösterreich, jene aus Wien sind offenbar weniger gefährdet sich zu infizieren…) in die Teststraße fahren. Die hatten bestimmt auch andere Pläne in den Herbstferien.

In Sachen „Contact Tracing“ haben wir inzwischen reichlich Erfahrung gesammelt. Die Telefonnummer der Schuldirektorin ist im Mobiltelefon eingespeichert. Der Elternvertreter wurde sofort informiert. Abgesehen von seinen Schulkolleginnen und Schulkollegen hatte der Große in den vergangenen Wochen ohnehin keinen engen Kontakt mit Menschen außerhalt seiner Familie. Zwischen Quarantäne und neuerlicher Quarantäne war er kaum in der Schule und auch da sozial nicht sehr aktiv. Der Kleine hingegen hat nach seinem positiven Test gleich die ganze Klasse (22 Kinder) inklusive Lehrpersonal und die gesamte Fußballmannschaft (an die 25 Kinder) mit den Trainern in Quarantäne geschickt. Sogar die halbe Nachbarschaft stand unter Hausarrest, weil er in den Tagen vor dem Test neben der einen Nachbarin gekocht und mit den anderen Nachbarn zum Sport gefahren ist.

Der Teenager steht nicht so sehr auf Quarantäne. Er empfindet sie als sinnlose Zumutung. Dass dieser Corona-Hausarrest auch wirklich überprüft wird, hat das Pubertier heute aber persönlich feststellen müssen. Gegen Mittag läutete es. Das kommt derzeit nicht so oft vor, denn freiwillig will uns irgendwie niemand besuchen. Jedenfalls standen zwei Polizisten mit FFP2-Maske vor unserem Gartentor und wollten den Teenager sehen. Als dieser sein Gesicht durch die Haustür steckte, waren sie auch schon wieder weg. Dabei wollte ich den beiden gerade noch einen Kaffee anbieten.

Sehnsüchtig habe ich heute auf die Post gewartet. Ein Kuvert mit Globuli sollte doch bei mir eintreffen. Wunschdenken! Nix da. Der Liebste meinte glatt, die Drogenpolizei hätte die Postsendung beschlagnahmt. Denn diese homöopathischen Arzneimittel kommen bestimmt direkt aus dem Darknet. Ja eh…

Jetzt hat mir der Göttergatte gerade mit dünner Stimme aus dem Krankenbett zugerufen. Er wartet nämlich seit einer Stunde auf seinen Kräutertee. Sorry, vergessen… Ich glaube, Corona macht blöd.


Einmal Corona zum Geburtstag

Corona-Tagebuch 3

 „Happy Birthday to you, happy Birthday…” – wir haben es diesmal nicht gesungen. Obwohl der Teenager heute 15 geworden ist. Seinen Geburtstag hat er sich irgendwie anders vorgestellt. Mit Freunden ins Kino, anschließend was essen, quatschen – natürlich mit Sicherheitsabstand. Daraus ist nichts geworden. Der Teenager – das bislang letzte corona-negative Familienmitglied – ist nämlich wieder einmal in Quarantäne. Daher hat er sich in sein Zimmer zurückgezogen und ist noch näher mit seinem Handy zusammengewachsen als er ohnehin schon war.

Völlig unbeschwert, symptom- und beschwerdefrei bewegt sich hingegen der Kleine durch sein Leben. Jenes Kind, das immer, wenn ein Virus vor ihm herumschwirrt, „hurra“ schreit und es voller Freude in seinem Körper aufnimmt, darf in die Schule, spielt Fußball und verlangt von uns Verständnis. Nicht, dass wir dem Kleinen einen Vorwurf machen, weil er uns Corona nachhause gebracht hat, aber ein bisschen mitfühlend könnte er schon sein. Immerhin hat er es geschafft, seine Krankheits-Historie innerhalb von nur acht Monaten um eine richtige Influenza und Covid-19 zu erweitern. Der Kleine ist ja sehr versiert in solchen Dingen. Ich kenne kein Kleinkind außer ihm, das mit sieben Monaten eine Salmonellen-Infektion hatte. In Sachen Viren ist der Blondschopf ohnehin Kaiser. Bereits mit vier Monaten hatte er Feuchtblattern. Ein Jahr darauf wieder. Da waren sogar die Ärzte im Krankenhaus St. Pölten baff, denn gegen die sogenannten Varizellen ist man eigentlich nach einer einzigen Infektion immun. Nicht unsere Virenschleuder. Der inzwischen 11-jährige hat diesen Keim dann noch einmal aufkeimen lassen – in Form einer Gürtelrose. Tja, die Liebe zu Viren war bei unserem Blondschopf schon in sehr jungen Jahren sehr ausgeprägt. Wir haben daher für ihn bereits eine doppelte Dosis Grippe-Impfung (only joking) geordert. Just to be save.

Ich hab Viren so gern…

Wenigstens wechselt der Göttergatte inzwischen nur noch einmal täglich den Pyjama und auch dem Fieberthermometer gönnt er gewisse Ruhepausen. Außerdem verlangt er mit einer beeindruckenden Vehemenz nach Bier. Auf Rat einer Freundin wollte ich ihm das gewünschte Gebräu erwärmen und mit Honig versüßen. Das soll nämlich eine heilende Wirkung haben. Wäre er in einem etwas besseren Zustand gewesen, hätte er glatt die Scheidung eingereicht.

Fast drei Wochen nach meinem positiven Covid-19-Testergebnis machen mir Muskel- und Gliederschmerzen immer noch Probleme. Jetzt ist aber Hilfe unterwegs – via Post. Meine oberösterreichische Freundin schickt mir „Bryonia“ und „Eupatorium perfoliatum“. Das wird meine Beschwerden in Null-Komma-Josef lindern. Ganz bestimmt. Globuli wirken bei mir nämlich innerhalb von nur zehn Minuten. Ehrlich! Vor etwa 20 Jahren war ich mit besagter Freundin in Kroatien auf einem Tauchboot. Grün und Blau im Gesicht mit flauem Magen war an den bevorstehenden Tauchgang nicht mehr zu denken. Meine Seekrankheit hatte wieder einmal zugeschlagen. Doch dann packte die Homöopathie-Frau-Doktor ihre Zuckerkügelchen aus. Aufgrund meines Zustandes konnte sie mir die Medizin auch problemlos unterjubeln. Wie durch ein Wunder ward ich kurz darauf genesen. Vorher und nachher habe ich das mit Arsen oder Gift aus der Tollkirsche versehene Zeug immer verweigert. Bachblüten, Globuli oder Schüßler-Salze sind ja nicht so meins. Aber jetzt werden mir die Zuckerkügelchen helfen. Diesmal gebe ich ihnen sogar 20 Minuten Zeit, um ihre heilende Wirkung zu entfalten.

Ein bisschen haben wir dann heute doch noch Geburtstag gefeiert. Wegen Corona und der Baustelle fand die Mini-Party auf unserer Terrasse statt. Nach Sushi aus der Plastik-Box gab es Tiramisu von der Nachbarin. Der Teenager war überglücklich über seine E-Gitarre und den Gutschein des Wahl-Opas für eine neue Sport-Ausrüstung. Am Abend kam via E-Mail noch ein Überraschungs-Geschenk: Der positive Covid-Bescheid für den frisch gebackenen 15-jährigen. „Happy Birthday toooooo youuuuu“.

Ruhe in Frieden…

Corona-Tagebuch 2

Eigentlich sollte unser Familienleben wieder zur gewohnten Realität zurückkehren. Dann kam der Bumerang – in Form von Corona.

Gerade habe ich meinem Göttergatten, den seit zwei Tagen Fieberschübe plagen, ein Heißgetränk zubereitet. Auf dem einzig brauchbaren Tee-Beutel, den ich in unserer Küche gefunden habe, steht „Finde Frieden“. Wie kann man Tee nur so nennen? Das klingt wie „Ruhe in Frieden“. Ich hatte jetzt wirklich Skrupel, einem Covid-19-Erkrankten mit mittelschweren Atembeschwerden, grauenhaftem Husten und einer Körpertemperatur von annähernd 40 Grad Celsius ein Getränk mit diesem Namen anzubieten. Auch wenn er seit seinen Fieberschüben etwas schwierig ist, möchte ich ihn noch gern länger behalten. „Finde Frieden“, oder vielleicht „R.I.P“? – was hat sich der Waldviertler Bio-Pionier da eigentlich gedacht?

Finde Frieden…

Spätestens mit Beginn der Herbstferien wollten wir unsere Corona-WG beenden. Nachdem das Corona-Kind vergangene Woche von der Behörde gesundgeschrieben wurde, hob das bei allen Familienmitgliedern die Stimmung enorm. Tags darauf durfte der ohnehin nie erkrankte Teenager das Haus erstmals wieder verlassen und noch einen Tag später wurde ich für gesund erklärt. Einzig der Göttergatte musste weitere 10 Tage in Quarantäne bleiben und das trotz zweier negativer Covid-Tests – nach meiner Genesung und der des Kleinen.

Doch dann plötzlich erklärte mir der Liebste, dass ihm sowas von kalt ist. Er friert eigentlich so gut wie nie. Als er dann mit dickem Wollpullover bibbernd nach einem Fieberthermometer suchte, war ich schon etwas besorgt. Männerschnupfen oder so kennt der Göttergatte nämlich nicht. Seit wir uns kennen – das sind in etwa 17 Jahre – war er ein einziges Mal krank. Damals behauptete er, es handle sich um eine leichte Angina. Als er dann nicht mehr sprechen konnte, schickte ich ihn gegen seinen Willen zum Arzt. Drei Minuten nach seiner Rückkehr bremste sich das Rettungsauto des Samariterbundes vor unserer Haustüre ein und brachte den Liebsten in das Krankenhaus St. Pölten. Dort lag er zwei Stunden später unter dem Messer. Abszess auf der Mandel – Erstickungsgefahr.

Obwohl sich der Göttergatte rein theoretisch derzeit weder bei mir noch bei unserem Kleinen hat anstecken können, ist der heutige Corona-Test positiv. Während mein Immunsystem sofort sein „ok“ für die Infektion gegeben hat, setzte sich mein Mann fast zwei Wochen erfolgreich gegen das Virus zur Wehr. Ich vermute ja, dass es bereits länger in ihm geschlummert ist. Erst jetzt konnte es sich so richtig entfalten. Seither plagen ihn neben den hohen Körpertemperaturen auch Atembeschwerden, Kopfschmerzen und der Verlust des Geschmackssinns. Bettwäsche und Pyjama sind nach überstandener Nacht nass wie eine Baby-Windel. Die Bitte nach Bier habe ich übrigens mit dem Argument „Das ist Verschwendung, du kannst es ohnehin nicht von Wasser unterscheiden“ abgeschmettert. Seither schmollt er während und mit seinen Schweißausbrüchen.

Der Zeitpunkt des Corona-Ausbruchs ist denkbar schlecht. Nachdem die Baustelle im Haus aufgrund unserer Corona-Infektionen kurz Pause machen musste, sind vor drei Tagen die Bauarbeiter gekommen und haben den großen Aufenthaltsraum – nämlich Küche, Wohn- und Esszimmer zerstört. Der alte Boden wurde rausgerissen, jene Möbel, die noch nicht verkauft worden sind, wanderten auf die Terrasse (neue haben wir bereits vor den positiven Corona-Zeiten geordert) und die Lichtschalter wurden abmontiert. Heute und morgen können wir die Räumlichkeiten also nicht betreten. Auch unsere Stiege wurde zur Renovierung abmontiert. Das ist abgesehen vom gestrigen Corona-Test meines Mannes ein weiteres positives Ereignis. Treppen zählen derzeit ohnehin nicht zu meinen Highlights. Drei bis vier Stufen und ich fühle mich wie eine Extrembergsteigerin kurz vor dem Gipfel. Abgesehen davon mag meine Lunge nicht, dass ich mich anstrenge. Jeder Ketten-Raucher würde mein Röcheln wahrscheinlich mit großem Mitleid wahrnehmen und mir eine Zigarette anbieten, weil es „eh schon wurscht ist“.

In der Küche und im Wohnzimmer wird der Boden neu verlegt

Was wir bisher nicht wussten: Auch ein Badezimmer ist vielseitig benutzbar. Heute früh fungierte es als Büro. Mein Laptop ist mit mir inklusive Morgen-Kaffee und Schmerztablette in die Nasszelle übersiedelt. Die Badewanne lässt sich übrigens hervorragend als Bürosessel zweckentfremden. Am Abend saß dann der Kleine darauf und verdrückte die Pizzareste von Mittag. Ein Küchen-Kasten musste als Esstisch herhalten.

Der Teenager haust ohnehin schon seit fast drei Wochen im Untergeschoss. Seit die Stiege weg ist, sehen wir ihn überhaupt nicht mehr. Die Stimmung im gemeinsamen Haushalt hat heute den absoluten Tiefpunkt erreicht. Die Aussicht auf noch mindestens 20 Tage Quarantäne, anstelle von Wandern, Radfahren und Wein trinken in der Südsteiermark während der Herbstferien, sorgt nicht gerade für gute Stimmung. Hoffentlich können wir den Kräuter-Tee bald gegen Freiheit eintauschen? „Ruhe in Frieden“ liebes Corona, R.I.P Quarantäne. Träumen darf man ja wohl noch.

Der Gitarre-Lehrer war’s!

Corona-Tagebuch 1

Ich habe Corona. Die Seuche ist da, in mir und auch in einem Teil meiner Familie. Mein 11-jähriger hat sie vom Gitarre-Unterricht nachhause gebracht. Der Große nimmt zwar beim gleichen Lehrer Unterricht, er aber blieb verschont. Warum? Gutes Immunsystem würden so manche sagen. Das mag schon sein. Doch er und sein Vater (der übrigens auch nicht infiziert wurde) sind jene Familienmitglieder, die seit dem Frühling Probleme mit der Lunge haben. Beide sind Allergiker. Tolles Immunsystem…

Das Zusammenleben als Familie ist etwas anstrengend, wenn zwei zu den „Positiven“ und zwei zu den „Negativen“ gehören. Die „Negativen“ wohnen jetzt im Keller oder besser im Untergeschoss. Falls die beiden sich in das Obergeschoss zu uns „Positiven“ wagen, dann nur mit FFP2-Maske. Der Teenager nimmt seine Absonderung, wie die Behörde die Quarantäne nennt, besonders ernst. Er isst freiwillig im Stehen auf dem Balkon, damit er uns Infizierten nicht zu nahekommt.

Auf unserem Esstisch stehen Desinfektionsmittel und ein Blumenstrauß. Letzteren haben mir meine Arbeitskolleginnen und Kollegen liebenswerterweise zukommen lassen. Auf dem Kasten neben dem Esstisch liegen unsere Corona-Tagebücher. Wer jetzt erwartet, dass es da einen Überblick unseres Tagesablaufs nachzulesen gibt, irrt. Auf Anweisung der Behörde müssen wir täglich zweimal Fieber messen. Zusätzlich gibt es ein Kästchen für die Befindlichkeiten. Da steht dann wie der Tag so gelaufen ist. Husten – ja oder nein? Halsschmerzen – ja oder nein? Kurzatmigkeit – ja oder nein. Die Gesundschreibung der Kranken hängt von diesem Tagebuch ab. Die Informationen gehen dann via E-Mail an den Amtsarzt und an Prinz Philipp. Letzterer hat mir übrigens auch den Bescheid meiner Covid-19-Infektion zugestellt. Etwas hart sind die britischen Royals schon, wenn sie einen 99-jährigen bei der BH St. Pölten arbeiten lassen. Zählt der nicht zur Risiko-Gruppe?

Zum Tagesablauf gehört auch regelmäßiges Händewaschen. Die Handseife im Badezimmer neigt sich dem bitteren Ende zu. Meine Hände sind bereits so rau, dass ich die Küchen-Reibe bald bei „Willhaben“ einstellen kann. Das ist aber das geringste Problem.

Während der Kleine mal einen Nachmittag etwas schlapp war und mit leicht erhöhter Temperatur früh ins Bett gegangen ist, hat das Virus bei mir heftiger eingeschlagen. Dabei würden Mediziner bestimmt von einem „milden Verlauf“ sprechen. Dennoch sind auch die eher harmlosen Symptome „gar nicht lustig“, wie der Teenager das vor etwa 10 Jahren bezeichnet hätte.

Ich habe ununterbrochen Kopfschmerzen. Mein Körper fühlt sich an, als hätte ich einen Marathon bestritten. Luft bekomme ich auch wenig, wenngleich das vermutlich weniger von der Lunge kommt als von der verstopften Nase, die wiederum Folge des ständigen Lüftens ist. Einmal täglich spielt mein Bauch verrückt. Da krampft sich innerlich alles zusammen, als würden gleich die Wehen einsetzen. Meine Laune war auch schon mal besser – zumal die Vorstellung ein Virus im Körper zu haben, von dem nicht einmal Wissenschaftler allzu viel wissen, eher apokalyptisch als beruhigend ist. Ach, ja meine Augen jucken übrigens auch. Gar nicht lustig!

Das erste mal wieder für kurze Zeit auf den Beinen

Entspannung im Bett? Fehlalarm! Der Kleine macht im selben Zimmer Homeschooling. Das bedeutet, dass er von mir Expertise in Englisch, Biologie, Deutsch und Geografie erwartet. Bei Mathematik marschiert er mit seiner FFP2-Maske ins Untergeschoss zu seinem Vater. Dort sperrt sich dann der Teenager kreischend in sein Zimmer ein, weil die Seuche naht. Mein Mann erklärt dem Kleinen hinter der medizinischen Burka mit stoischer Ruhe das „kleinste gemeinsame Vielfache“ und andere Ausdrücke der hohen Mathematik, die auch ohne Covid-19-Infektion für mich wie ein Auszug der chinesischen Sprache klingen.

Gabriel und Franz beim Mathematik-Homeschooling

Abgesehen davon will der Kleine raus. Er macht Salti im Trampolin und er fährt unerlaubterweise mit dem Stunt-Scooter auf der Straße vor unserem Haus herum. Ich muss ihn immer wieder davon überzeugen, nur in Sichtweite zu bleiben. Funktioniert hervorragend. Ebenso toll klappt das Rücksicht nehmen. „Mama, backen wir heute einen Kuchen?“ „Mama, darf ich Fußball schauen?“ „Klar, meine Netflix-Serie ist ohnehin langweilig“. In der Fußball-Pause hört er Amy Winehouse. Der geht es viel schlechter als mir. Ihr Gesang ertönt nur noch aus unserer Alexa. Ich hingegen habe jetzt diesen Text geschrieben. Ob das Glas Gin Tonic, das mir dabei geholfen hat, meinen Beschwerden hilfreich entgegenkommt, wird sich dann morgen zeigen.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass der Gitarre-Lehrer inzwischen gesund ist? Er unterrichtet wieder in der Schule – meine Kinder lernen das Zupfen der Saiten jetzt via Handy.

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