Corona-Tagebuch 2

Eigentlich sollte unser Familienleben wieder zur gewohnten Realität zurückkehren. Dann kam der Bumerang – in Form von Corona.

Gerade habe ich meinem Göttergatten, den seit zwei Tagen Fieberschübe plagen, ein Heißgetränk zubereitet. Auf dem einzig brauchbaren Tee-Beutel, den ich in unserer Küche gefunden habe, steht „Finde Frieden“. Wie kann man Tee nur so nennen? Das klingt wie „Ruhe in Frieden“. Ich hatte jetzt wirklich Skrupel, einem Covid-19-Erkrankten mit mittelschweren Atembeschwerden, grauenhaftem Husten und einer Körpertemperatur von annähernd 40 Grad Celsius ein Getränk mit diesem Namen anzubieten. Auch wenn er seit seinen Fieberschüben etwas schwierig ist, möchte ich ihn noch gern länger behalten. „Finde Frieden“, oder vielleicht „R.I.P“? – was hat sich der Waldviertler Bio-Pionier da eigentlich gedacht?

Finde Frieden…

Spätestens mit Beginn der Herbstferien wollten wir unsere Corona-WG beenden. Nachdem das Corona-Kind vergangene Woche von der Behörde gesundgeschrieben wurde, hob das bei allen Familienmitgliedern die Stimmung enorm. Tags darauf durfte der ohnehin nie erkrankte Teenager das Haus erstmals wieder verlassen und noch einen Tag später wurde ich für gesund erklärt. Einzig der Göttergatte musste weitere 10 Tage in Quarantäne bleiben und das trotz zweier negativer Covid-Tests – nach meiner Genesung und der des Kleinen.

Doch dann plötzlich erklärte mir der Liebste, dass ihm sowas von kalt ist. Er friert eigentlich so gut wie nie. Als er dann mit dickem Wollpullover bibbernd nach einem Fieberthermometer suchte, war ich schon etwas besorgt. Männerschnupfen oder so kennt der Göttergatte nämlich nicht. Seit wir uns kennen – das sind in etwa 17 Jahre – war er ein einziges Mal krank. Damals behauptete er, es handle sich um eine leichte Angina. Als er dann nicht mehr sprechen konnte, schickte ich ihn gegen seinen Willen zum Arzt. Drei Minuten nach seiner Rückkehr bremste sich das Rettungsauto des Samariterbundes vor unserer Haustüre ein und brachte den Liebsten in das Krankenhaus St. Pölten. Dort lag er zwei Stunden später unter dem Messer. Abszess auf der Mandel – Erstickungsgefahr.

Obwohl sich der Göttergatte rein theoretisch derzeit weder bei mir noch bei unserem Kleinen hat anstecken können, ist der heutige Corona-Test positiv. Während mein Immunsystem sofort sein „ok“ für die Infektion gegeben hat, setzte sich mein Mann fast zwei Wochen erfolgreich gegen das Virus zur Wehr. Ich vermute ja, dass es bereits länger in ihm geschlummert ist. Erst jetzt konnte es sich so richtig entfalten. Seither plagen ihn neben den hohen Körpertemperaturen auch Atembeschwerden, Kopfschmerzen und der Verlust des Geschmackssinns. Bettwäsche und Pyjama sind nach überstandener Nacht nass wie eine Baby-Windel. Die Bitte nach Bier habe ich übrigens mit dem Argument „Das ist Verschwendung, du kannst es ohnehin nicht von Wasser unterscheiden“ abgeschmettert. Seither schmollt er während und mit seinen Schweißausbrüchen.

Der Zeitpunkt des Corona-Ausbruchs ist denkbar schlecht. Nachdem die Baustelle im Haus aufgrund unserer Corona-Infektionen kurz Pause machen musste, sind vor drei Tagen die Bauarbeiter gekommen und haben den großen Aufenthaltsraum – nämlich Küche, Wohn- und Esszimmer zerstört. Der alte Boden wurde rausgerissen, jene Möbel, die noch nicht verkauft worden sind, wanderten auf die Terrasse (neue haben wir bereits vor den positiven Corona-Zeiten geordert) und die Lichtschalter wurden abmontiert. Heute und morgen können wir die Räumlichkeiten also nicht betreten. Auch unsere Stiege wurde zur Renovierung abmontiert. Das ist abgesehen vom gestrigen Corona-Test meines Mannes ein weiteres positives Ereignis. Treppen zählen derzeit ohnehin nicht zu meinen Highlights. Drei bis vier Stufen und ich fühle mich wie eine Extrembergsteigerin kurz vor dem Gipfel. Abgesehen davon mag meine Lunge nicht, dass ich mich anstrenge. Jeder Ketten-Raucher würde mein Röcheln wahrscheinlich mit großem Mitleid wahrnehmen und mir eine Zigarette anbieten, weil es „eh schon wurscht ist“.

In der Küche und im Wohnzimmer wird der Boden neu verlegt

Was wir bisher nicht wussten: Auch ein Badezimmer ist vielseitig benutzbar. Heute früh fungierte es als Büro. Mein Laptop ist mit mir inklusive Morgen-Kaffee und Schmerztablette in die Nasszelle übersiedelt. Die Badewanne lässt sich übrigens hervorragend als Bürosessel zweckentfremden. Am Abend saß dann der Kleine darauf und verdrückte die Pizzareste von Mittag. Ein Küchen-Kasten musste als Esstisch herhalten.

Der Teenager haust ohnehin schon seit fast drei Wochen im Untergeschoss. Seit die Stiege weg ist, sehen wir ihn überhaupt nicht mehr. Die Stimmung im gemeinsamen Haushalt hat heute den absoluten Tiefpunkt erreicht. Die Aussicht auf noch mindestens 20 Tage Quarantäne, anstelle von Wandern, Radfahren und Wein trinken in der Südsteiermark während der Herbstferien, sorgt nicht gerade für gute Stimmung. Hoffentlich können wir den Kräuter-Tee bald gegen Freiheit eintauschen? „Ruhe in Frieden“ liebes Corona, R.I.P Quarantäne. Träumen darf man ja wohl noch.